Vor einem knappen Jahr kam Alex Beeler auf meinen Vater Hans zu und erzählte ihm von diesem Event welches er im Berner Oberland, genauer in Gstaad, auf die Beine stellen wollte; ein Vintage Velo Event mit dem Namen Bergkönig. Die Idee war simpel einfach und war inspiriert vom Eroica Event welches in Italien enorme Popularität feiert und seit einigen Jahren schon Liebhaber aus der ganzen Welt anzieht: Man nehme ein altes Velo, mindestens 30 Jahre alt, am liebsten noch viel älter, wollene Trikots und auch sonst möglichst alte Ausrüstung aus alten Zeiten, und fährt dann eine vorgegebene und abgesteckte wenn auch nicht abgesperrte Strecke ab. Es gibt keine Gewinner, oder anders gesagt alle sind Gewinner. Medaillen gibt’s lediglich für die Fahrer mit den ältesten und originellsten Velos und Klamotten. Wollten wir da mitmachen, eventuell sogar ein kleiner Event Sponsor sein, fragte Alex. Wir brauchten nicht lange um zuzusagen. Das war genau unser Event!
Vergangenheit & Gegenwart
Wir, Hans, das Rennshop Wüthrich Team und ich, leben in der Gegenwart, stehen mit beiden Füssen fest auf dem Boden. Wir schwärmen von Kohlefaserverbundstoff und davon wie das richtige Fasermatten Layup dieses und jenes Rahmens Komfort und Steifigkeit im gleichen bringt , schlagen einander die Köpfe ein über EPS vs. Di2 vs. eTap und diskutieren emotional darüber ob die Keronite Beschichtung Felgenbremsender Rennräder die beste Lösung ist oder ob doch Scheibenbremsen den Weg in die Zukunft weisen…halt all diese Themen die uns früher oder später spirituelle Erleuchtung und Weltfrieden bringen werden.
Aber als echte Veloliebhaber konnte uns die Idee dieses Events von Anfang an enorm begeistern. Weshalb? Weil das unsere Wurzeln sind, die Wurzeln von Hans & Annerös Wüthrich und dem Rennshop Wüthrich. Hans und Annerös, damals noch einigermassen frisch verheiratet, gründeten den Rennshop Wüthrich im Jahr 1975, zu einer Zeit als das heutige Vintage die damalige Gegenwart war. Ich war damals noch Zukunft, mich gab’s noch gar nicht. Ein Team gab es aber, die GS Wüthrich. Die Gruope Sportive oder Gruppo Sportivo fuhr zu dieser Zeit mit den heutigen Vintage Velos, eingekleidet in wollenen Trikots und wollenen Hosen bei nationalen Rennen Siege ein, wurde in Zeitungsberichten erwähnt und war eines der bekannten Elite-Amateur Teams (auch diese Kategorie ist heute Vergangenheit) der Schweiz.
Bild 1: GS Wüthrich vor dem Ladengeschäft Rennshop Wüthrich in Burgdorf, um 1982
Bild 2: GS Wüthrich’s Martin Aebischer am Start eines Rennens um 1977
Bild 3: Thomas Wegmüller in voller Fahrt im Wüthrich Dress in 1985
GS Wüthrich Vintage
Wir sagten Alex also zu, ohne viel zu studieren. Mit einem Team an den Bergkönig wollten wir; die GS Wüthrich aufleben lassen, das romantisieren der alten Zeiten zelebrieren, «back to the roots». Woll Trikots von damals hatten wir keine mehr, also brauchte es «neue alte» Wolltrikots. Kratzsäcke wurden sie damals genannt, und alle die sie tragen mussten waren froh als die Kunstfaser Polyester kam und die Wolle ablöste. Egal. Die Wolltrikots mussten her und zwar im Originaldesign, so wie vor 35 Jahren; Navy Blau (das hiess damals noch nicht so) mit eingenähtem «GS wüthrich» Logo und drei weissen Seitenstreifen die sich vom Ärmel die ganze Seite runter erstreckten. Und ein bunter Kragen und Ärmelbündchen mussten es sein; nicht ganz wie damals, aber fast. Damals waren Kragen und Bündchen in den Weltmeisterfarben gemacht worden. Nicht weil ein GS wüthrich Fahrer Anfang der Achtziger Weltmeister war sondern deshalb weil das damals grad Mode war und es alle anderen auch so machten. Wir wählten, etwas schlichter, weiss-rote Abschlüsse in Anlehnung an die heutigen Wüthrich Farben.
Im Ganzen wurden 4 Lieferanten identifiziert die überhaupt in der Lage waren noch Woll-Trikots zu machen. Einer fiel weg da die Qualität eines Musters das uns gezeigt wurde klar nicht unseren Vorstellungen entsprach. Zwei andere nahmen sich gleich selbst aus dem Rennen – die Seitenstreifen könne man nicht machen mit den heutigen Maschinen. Das war nicht akzeptabel. Ein einziger scheute sich nicht. «Das Trikot mit den raren weissen Seitenstreifen machen wir Dir gerne» war die Antwort von Alex, von Woolistic aus Cham. Ich kannte Alex nicht und auch von Woolistic hatte ich vorher noch nie gehört. Der einzige Kontakt mit ihm war per email, aber irgendwie schien er mir sympathisch und ziemlich unkompliziert, und so schritten wir fort mit dem Trikot Projekt.
«Welches blau ist besser, das oder jenes?» kam eine email von Alex. Er müsse noch grad Wolle einfärben für die Trikots. «Dein Logo ist zu modern. Wie wär’s mit diesem?! Ist eine ältere Schriftart die ein Journalistenkollege für mich hervorgekramt hat» kam eine andere in meine Inbox geflattert. Etwa einen Monat vor dem Bergkönig Event wurde ich dann leicht (das ist vielleicht ein bisschen untertrieben) nervös. Würden es die Trikots überhaupt rechtzeitig schaffen? Könnten wir am Ende ohne Bekleidung dastehen? Würden die Bekleidungsstücke ankommen, aber in einer absolut schlechten Qualität?! Ich fing schon an mir geistig über Plan B Gedanken zu machen…und dann, zwei Wochen vor Tag X, kam eine Kiste voll mit Ware aus feinster Merino Wolle, exakt verarbeitet und wunderschön bestickt im Rennshop an. Mit meinen Bedenken und Ängsten hätte ich nicht weiter von der Wahrheit weg sin können. Unsere Gruppo Sportivo war bekleidet!
Die Originale, die Wiederholungstäter und die Grünschnäbel
Die GS Wüthrich Jahrgang 2017 war eine sehr interessante Konstellation die ich, der Einfachheit halber, in drei Kategorien aufsplitten würde.
Die Originale sind die welche das Gefühl von «Kratzsäcken» auf der nackten Haut und nicht indexierter Schaltung am Unterrohr aus Selbsterfahrung kennen; nicht weil sie sich dafür entschieden Wolle zu tragen und zwischen 12 Gängen mit viel Gefühl und Zeitaufwand zu schalten, sondern weil sie gar keine andere Wahl hatten zu der Zeit. Wir hatten das Vergnügen mit Tinu Aebischer, ein Ex GS Wüthrich Fahrer von damals, und Ueli Anken, ein absolutes Original der es nicht lassen konnte und seine alte Schreibmaschine (ja ein riesen Tütschi) im Rucksack mit sich schleppte, zwei solche Originale in unseren Reihen zu wissen. Thomas Wegmüller, ein weiterer Ex GS Wüthrich Fahrer der für das Organisationskomitee Team Gstaad startete, erwies uns die Ehre und fuhr den Event zwar nicht in unserem Trikot aber mit seinem Original Wüthrich Rennvelo in pink-blau.
Dann sind da die Wiederholungstäter. «Denn sie wissen was sie tun» scheint ihnen auf der Stirn geschrieben; wundervolle Vintage Rennvelos erster Güte, Style von der Hose zum Kopfschmuck bis zum Bidon…sie wissen worum es geht, sprechen die Sprache. Sie sind aktiv in den Internet Foren, sie haben am Original, dem Eroica in der Toskana, teilgenommen, sind integerer Teil der Vintage Velo Bewegung. Für mich, einen bekennenden Grünschnabel in Vintage, eine super Erfahrung ihnen zuzuhören, zuzusehen. Ihnen muss ich nichts vormachen, von ihnen kann ich nur lernen. Willi, Gervaise und Meike beehrten uns mit ihrer Teilnahme am Event.
Und dann last but not least, wir Grünschnäbel. Aber Achtung, jeder fängt mal als Grünschnabel an und ich staunte mit welchem Enthusiasmus alle das Projekt Bergkönig angingen. Mein Bruder Tom kam, suchte, und fand, Original Rennschuhe aus den 70gern irgendwo im Netz. Mätthu und Paul tauchten eines Tages mit Vintage Velo Findlingen auf die sie über Auktionen ergattert hatten. Stephan trieb gestrickte Retro Handschuhe mit Leder Handfläche irgendwo aus Zürich auf, Friso restaurierte das alte Rennrad seines Schwiegervaters für den Event….
Am Ende waren wir 13 Fahrer die Ihren Weg im Namen der GS Wüthrich zum Start nach Gstaad fanden. Ein ganz wichtiger allerdings fehlte; Hans hatte sich ein paar Wochen zuvor den Oberschenkel gebrochen und konnte bei der Erstaustragung deshalb leider nicht als Fahrer teilnehmen. Er übernahm dafür eine andere, auch sehr wichtige Rolle, in Form des Ambassadors der GS Wüthrich am Stand im Event Village mitten im Gstaader Dorfkern.
Teile 2 folgt sogleich, in einem zweiten Beitrag….
Aber Tinu, jetzt hast du mit deinem Text migottseeu ein Kribbeln in meine Magengrube gezaubert. Und dann die Ehre, in einem Satz mit Tinu genannt zu sein… aber du meintest schon Aebischer statt Aeschbacher, oder 😉
Item, und überhaupt: Dass ich jetzt auch endlich so einen Wüthrich-Sack meinen eignen nennen darf, das macht die ganze Sache noch viel geiler. Dafür hätte ich früher, als Vintage noch Gegenwart war, nämlich Elite werden müssen. Und so wäre nichts geworden mit der Schreibmaschine. Und du hättest jetzt genau einen Kommentar weniger geerntet für deinen Post. Und das wäre
cheibenschade, denn er ist cool dein Post.
Ich freue mich sehr auf nächstes Jahr. Lass alle Wüthrichs herzlich gegrüsst sein! A bientôt!
ueli
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Hallo Ueli, das kribbeln ist gern geschehen ; ) . Und der Tinu heißt jetzt auch Aebischer und nicht mehr Aeschbacher.
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